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Makam-Musik


Begriffserklärung

Mit dem Begriff Makam-Musik wird die klassische Musik des Nahen und Mittleren Osten bezeichnet. Makam, arabisch: Ort oder Rang, sind in der Musik Tongattungen, die durch die Definition der Töne und den bestimmten Melodieverlauf die jeweilige Tonart ergeben. Eine Makam setzt sich aus einer Tonleiter und einer kompositorischen Melodiestruktur zusammen. Jede Makam weist spezifische Charaktere auf, die nur ihr eigen sind. Basierend auf einen Tetra- und Pentachord bildet die Tonleiter die modale Vorgabe, die aber durch spezifische Erweiterungen mittels Vorzeichen in höheren und tieferen Oktavlagen verändert werden.

 

Hier wird vorerst die klassich osmanische Makam-Musik aus musiktheoretischer, historischer und therapeutischer Sicht beleuchtet. Diese Musiktradition, die seit über 700 Jahren die feinsten Regungen der Seele zum Ausdruck bringt, erfordert auch in ihrer Beschreibung Achtsamkeit. In der klassischen Makam-Musik sind den auch Kunst, Wissenschaft und Geistigkeit innig verwoben. Da auf diesen Seiten einstweilen die Gewichtung auf der osmanisch-türkischen Musiktradition liegt, kann dereit nur am Rande auf die vorzügliche persische, usbekische, aserbaidschanische und arabische Makam-Musik hingewiesen werden.

 

 

 

 

 

 

Allgemeines

Die Kunst in der Makam-Musik besteht in der Balancierung zwischen melodisch vorgegebenen Strukturen und persönlichen Einfallsreichtum. Allen asiatischen Musikstilen ist die Bedeutung des persönlichen musikalischen Ausdruckes, im Sinne einer Klanggestaltung, eigen. Die Instrumente, wie auch die Stimme, werden bis zu den Grenzen des Ober- und Untertonbereichs ausgeschöpft. In dieser Weise ist das schamanische Erbe Asiens wieder erkennbar. Eine gelungene Darbietung eines klassischen Makam-Stückes erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen des Musikers in Bezug auf die Komposition, wie auch der Stimmung der Zuhörerschaft.


Der kreative Umgang mit den Strukturen innerhalb einer Makam wird in den Improvisationen (taksim) zum vollen Ausdruck gebracht. Das taksim geht zumeist einem klassischen Stück voraus. Selbst in diesen taksim gelten kompositorische Regeln. Zumeist wird mit freiem Tempo improvisiert, wobei der Anfang typische Melodiefiguren (çesni) einer Makam darstellen sollte, und im weiteren Verlauf werden der gesamte Tonumfang, in der Regel 2.5 Oktaven, ausgeschöpft. Im Mittelteil (meyan) werden die höchsten Höhen, wie auch verwandte Makams zum Klingen gebracht. Der Abschluss bewegt sich üblicher Weise über mehrere Kadenzen zurück zu den anfänglichen Melodiefiguren. Die Eigenheit der Instrumente wird auch innerhalb der Improvisation dargestellt. Gesungene Improvisationen auf der Basis von Gedichten werden zumeist gazel genannt. Und gerade darin finden alle Instrumentalisten ihr Vorbild: der innige Ausdruck menschlicher Stimme. Im zentralasiatischen Kulturbereich wurde die Imitation der menschlichen Stimme über Jahrhunderte hin zur Perfektion gebracht.

 

Historisches


Die Makam-Musik entstand an den Schnittstellen der großen Kulturen des Orients. Die Tonleiterstruktur der griechischen Musiklehre, wie auch die Neuntel Komma Unterteilung eines Ganztones, die auf Pythagoras zurückgeht, bildeten die ersten theoretischen Grundlagen. Arabische Gelehrte im achten Jahrhundert adaptierten diese, fügten wesentliche Stilelemente hinzu und wurde von persischen und türkischen Universal-gelehrten zur Reife, im Sinne klassischer Kompositionen, gebracht.

Es wurden auch spezifische Eigenheiten der Musiktraditionen Asiens mitintegriert. Einige Makams tragen den Namen gewisser Regionen oder Städte, mit denen sie aszoziert wurden. Ebenso dienten poetische Umschreibungen ihrer Wirksamkeit als Namensträger, wie etwa die Suz-i dil Makam, übersetzt: Herzensbrand. Der Begriff Makam selbst taucht im 11.Jh. auf. Zuvor wurden andere Bezeichnungen verwendet. Dieser Begriff wurde im Zusammenhang mit den Merkmalen der Lehren al-Farabis (gest. 930) genannt, wie auch der von al-Kindi(m. 850) und den Erkenntnissen der griechische Philosophen. Die Bezeichnung Musik wurde ebenso von den Griechen mit übernommen.

 

Farabi erweiterte die 12stufige Tonschrittteilung einer Oktave in eine 17stufige Oktavteilung, wobei genaue Halbtöne vermieden und zwei unterschiedliche Halbtonwerte (90 bzw.114 Cent) eingesetzt wurden. Aus den 17 Tonstufen wurden jeweils acht Töne für eine Tonleiter festgelegt. Ende des 19.Jh. wurde die 17stufige durch eine 24stufige ersetzt. Die Neunteltonteilung der osmanischen Makam-Musik ergibt einen ungefähren Intervall von 23 Cent, wobei nur die 1., 3., 4., 5. und 8.Teilung verwendet wird. In der Obertonleiter erklingt in der 5.Stufe diese um ein Neuntel vom Ganzton erniedrigte Ton-schwingung. Es ist das pythagoreische Komma. Die Verbindung zwischen den empirischen Hörerfahrungen und den kosmischen Konzepten waren im vorderen Orient über Jahrhunderte hin Basis eigenständigen Forschens. Der Meistermusiker Abdulkadir Meragi, gab vor allem der theoretischen Makamlehre noch notwendige praktische Liedgestaltungsformen hin. Diese wurden vor allem durch die viele Rhythmusformen definiert, z.B. ein Lied im 3/4 wurde semai genannt, eines im10/8 aksak semai. Liedsammlungen wurden innerhalb einer Makam zusammen-gestellt, wobei die Abfolge der Stücke durch die rhythmischen Vorgaben bestimmt wurden. Diese Form wurde als fasıl-Suiteaufgeführt. Bis ins 19.Jh. waren solche Liedzyklen Bestand höfischer Konzerte. Das osmanische fasıl, der usbekische Shash Makam, der aserbaidschanische Muqam folgten alle diesem Muster.

 

Wenn ein Makam-Komponist im osmanischen Stil eine neue Makam kreiert, sollte er ein kleines fasil, bestehend aus mindestens einem peshrev (Ouvertüre ) einem sharki (Lied) und einem saz semaisi (Finalstück), komponieren, damit andere Musiker die Struktur der Makam erkennen können. Denn eine Makam setzt sich nach der Aussage des türkischen Ud-Virtuosen und Komponisten Cinuçen Tanrikorur aus 20% dizi (Tonleiter) und 80% seyir (Melodieverlauf) zusammen. Das seyir ist einhergehend mit dem Aufschreiben von halb-improvisierten Stücken ebenso zur Grundlage der Makam-Theorie geworden.

 

Ab dem 13.Jh. findet im kleinasiatischen Raum in Folge des Mongolensturmes, eine neue Synthese der Musiklehren wie auch der Instrumentarien statt. Die Musiker bei den Drehtänzen des Mystikers Mevlana Rumi (gest. 1273) spielten vor allem Ney, Tanbur, Rebab und Ud. Diese Musikinstrumente gehören zu den wichtigsten Makam-Instrumenten. Bis heute ist der auf Rumi zurückgehende Derwischorden der Mevlevis der Garant für künstlerisch hochstehende Leistungen in der Makam-Musik.

Durch die Ausdehnung des osmanischen Reiches im 15. und 16. Jh. auf den gesamten vorderen Orient, Balkan und Nordafrikas fanden die genannten Instrumente und die Makam-Musik große Verbreitung. Einen Höhepunkt der Makam-Entwicklung bezüglich ihrer facettenreichen Melodiegestaltungen finden wir in den städtischen Zentren des osmanischen Reiches gegen Ende des 17.Jh. Parallel zum europäischen Barock vollbrachten Meisterkomponisten wie Itri und Hafiz Post Werke von größter musikalischer Schönheit und tiefster Spiritualität. Zwei Europäer, Kantemir und Bobovski, waren Musiker und Gelehrte am osmanischen Hof und schufen Hunderte von Makam-Werken. Ihre Aufzeichnungen und Beschreibungen gehören zu den wichtigen Dokumenten der Musikwissenschaft. Zu der ursprünglichen Buchstabennotation kam unter anderem die Zeit- und Tonhöhenangaben verwendende Hamparsum-Notation des armenisch stämmigen Kirchenmusikers Hamparsun hinzu.

 

Ab dem Ende des 18.Jh. wird die mündliche Übermittlungs-tradition anhand dieser Notationen zu großen Repertoiresammlungen bis ins 19.Jh. erweitert. Mit der Kolonialzeit begann auch die europäische Notation wie auch diverser Kompositionsmerkmale europäischer Art. In dem kosmopolitischen Milieu Istanbuls wie auch Kairos, fanden Meistermusiker unterschiedlicher Herkunft zu neuen Formen der Makam-Komposition. Noch heute findet man im staatlichen Konservatorium von Tunis ein lebensgroßes Portrait des türkischen Komponisten und Tanbur-Virtuosen Tanburi Cemal Beys. Er vereinte die höchste Impro-visationskunst mit neuen Kompositionsweisen und schuf damit einen eigenen Stil. Durch die Verbindung ländlicher Tanzmusik und dieser virtuosen Makam-Spielweise entstand eine Populärmusik mit großer Verbreitung. Sie wird sanat müzik genannt und sie trug das Erbe der klassischen Kompositionen vereint mit der kürzeren Melodieführung der Volkslieder ins 20.Jh.

Musiktheoretisches zur osmanisch-türkischen Makam-Musik

Die Makams basieren auf einem Grundton (karar), von dem ausgehend entweder ein Tetra- oder ein Pentachord aufgebaut wird, und dieser 4. bzw. 5. Ton gilt als Dominante (güçlü), an die wiederum ein Tetra - bzw. Pentachord anknüpft. Ein Tetrachord bildet mit einem Pentachord bei gemeinsamer Nützung der Dominante eine Oktave. Dieser 4. oder 5. Ton der Tonleiter wird als Verbindungston in der melodischen Entwicklung einer Makam zum Haltepunkt der Melodie. Nach den Musiktheoretikern Yekta, Ezgi und Arel werden sechs Tetrachorde unterschiedlicher Intervallstruktur zu den Grund-Tetrachorden der Makam-Musik: Rast, Puselik, Cargah, Kürdi, Hicaz und Ussak. Sie bilden mit ihren um eine Tonstufe erweiterten Pentachords die meisten Grund-Makams.

Als einfaches Beispiel:
Rast Tetrachord und Rast Pentachord ergeben die Rast Makam.

Makams werden in 3 Gruppen unterteilt:

1. Grund-Makams - basit makamat
2. zusammengesetzte Makams - mürekkeb makamat
3. transponierte Makams - schedd makamat

1. Heute spricht man von 13 Grund-Makams und in älteren Literaturen wurden 12 angegeben, wobei Variationen über die Jahrhunderte hin festzustellen sind. Sechs dieser Grund-Makams weisen einen typisch orientalischen 1,5 Tonschritt auf. Sie werden die Hicaz Makam-Familie genannt.

2. zusammengesetzten Makams bauen auf der Kombination verschiedener Grund-Makams und ihrer Untertonarten auf.

3. Die transponierten Makams sind Makams der ersten und zweiten Gruppierung, wobei diese in spezifischen Transposit-ionslagen gespielten Makams durch häufige Anwendung großer Beliebtheit erlangt haben und dadurch als eigenständige Makams Eingang fanden.

Der melodische Verlauf einer Makam hat tendenzielle Richtungen nach oben oder unten hin, beziehungsweise eine Kombination von beiden. Mit Ausnahme der Grund-Makams die alle drei Richtungen aufweisen können, sind die zusammen-gesetzten Makams von absteigender Tendenz.

Wenn wir die Aussage Cinuçen Tanrikorurs näher analysieren: Makam = 20% Tonleiter und 80% Melodieverlauf, dann zeigt sich, dass das europäische Konzept der modalen Tonleiter-struktur auf die Makam-Musik nicht anwendbar ist. Jede Makam hat einen ungefähren Weg der Melodie-Entwicklung, wobei darin auch viele Variationen zum Ausdruck gebracht werden sollten. Im Mittelteil des Melodieverlaufs, meyan genannt, werden typische Elemente anderer Makams eingeflochten. Hierbei kommt die Kunst des geçis-taksim, der Improvisation von einer Makam in eine andere zur Anwendung. Dies erfordert viel Wissen über die Besonder-heiten der Makams, wie auch der Gemeinsamkeiten, die als Verbindungselement für den Transfer von Nöten sind. Hieraus ergibt sich, dass die Makam mehr als eine modale Struktur aufweist. Eine Makam ist in ihrem Profil kompatibel zu spezifischen Makams, und zu einigen anderen wiederum nicht. Warum z.B. in der Makam Acemasiran die Makam Saba gerne eingebaut wird und die Makam Acem aber die Makam Saba nicht aufweist, sind offene Fragen, die vielleicht nur durch sehr viel altes Liedwerk und Spiel-praxis erforschbar ist.

Lehrer - Schüler


Abschließend sei gesagt, dass das eigentliche Verständnis einer Makam nur durch Meistermusiker vermittelt werden kann. Sie kennen die Besonderheiten aus jahrzehntelanger Praxis und haben zumeist ebenso Wesentliches von ihren Meisterlehrern erfahren. Die Ausbildung zum Makam-Musiker setzt die Adaption der Spielweise des Meisterlehrers zwar nicht voraus, wird aber als Schulung für den eigenen Stil als äußerst nützlich angesehen.

 

 

 

Diese Makam-Theorie ist mit Quellenangaben und einigen Notengraphiken als 3,2 MB PDF-Dokument auf unserer Website vorhanden: makamtheorie.pdf

Sie finden auch unter unserer Rubrik Hörbares Makam-Musikbeispiele.

  Ebenso ist eine Bibliographie zur Makam-Musik als PDF-Dokument auf der Bibliographie-Seite herunterladbar.

 

 

 

 



 

 

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